Samstag, 19. Januar 2008

Dorfdisko

"Es hat mich total berührt und ich fand's voll schön."
So der schlussfolgernde Satz einer Freundin zum heutigen Abend. Was so schön war? In einem Kaff im Nirgendwo trifft sich die Dorfjugend, wie überall. Dort kann man laut sein, dort dürfen auch 17jährige schon mal ein Birechen ohne Aufsicht trinken. Dort hat man eben "Spaß". So auch heute, denn heute ist Geburtstagsfeier angesagt. Dazu spielen die Freunde verteilt auf zwei Bands auf. Ich wurde von einem der Schlagzeuger freundlich abkommandiert um Fotos zu machen. Das Grauen, auf das ich mich schon halbwegs mental eingestellt hatte, erschlägt mich dennoch brutal.
Es sind Menschen zugegen mit rotkarrierten Hosen mit vielen Nieten und Reißverschlüssen, die verbleibenden nicht-abrasierten Haare bunt gefärbt oder schicke Filzlocken, auf den T-shirts Sinnsprüche wie "Punk's not dead!" oder episch-lyrisch anmutende Äußerungen mit der Essenz 'Arbeit für alle, aber ich mach was ich will und liege gerne dem Staat auf der Tasche, weil Anarchie ist toll'. Natürlich fehlen Bandshirts wie Fehlfarben etc.
nicht. Auch die zwei obligatorischen Vertreter der Oi-Skin Bewegung, bestückt mit Hosenträgern, und zwei Grufti-Görlies in Samtkleidern und Killernietenhalsband sind da. Dazu noch das pickelige Rest-Partyvolk und die Groupies aka Schwestern und Kindergartenfreunde. Holy shit.
Die darbegrachte 'Musik' ist natürlich gnadenlos schlecht, wobei die beiden Schlagzeuger sogar durchaus Potential haben. Von den gegröhlten Texten verstehe ich kein einziges Wort, auch wenn ich mich noch so anstrenge. Dafür sind die Jungs mit vollem Einsatz dabei und das Partyvolk "tanzt".
Wenn Oi-Skins sich zu Musik bewegen mutet es an wie eine skurrile Mischung aus marschieren und dem Ententanz, während der Rest einfach (und mir völlig unverständlich) Wort für Wort mitgröhlt und -grunzt und dazu hüpft und das fettige Haupthaar schüttelt.
Drei Akkorde, wozu einen Bass - es gibt doch n Keyboard, Schlagzeug und fertig ist der Punk. Ungewaschen und natürlich mit Ecken, Kanten und tiefsinnigen Texten.

Dazwischen wusel ich herum, versuche auf meine Kamera aufzupassen, ein paar halbwegs brauchbare Fotos zu schießen und Acht zu geben dass mich keiner der Anderen aus versehen umpogt oder seine Zigarette an mir ausdrückt.

"Es hat mich total berührt und ich fand's voll schön." vs "Was für eine pupertäre Scheiße."
Zumindest sind die Fotos ganz gut geworden. Das tröstet etwas. Das und der feste Entschluss niemals wieder zu einer Dorfdisko zu gehen, auch wenn ich einen der auftretenden Musiker noch so mag. Näh, danke. Meine Klamotten stinken nach Rauch (selbstverständlich, denn Rauchen ist nach wie vor trendy) und ich bin müde - vielleicht werde ich einfach alt... oder besser ;)

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